Anamnese, Untersuchungsmethoden, Hygiene
Die Anamnese
Jede Behandlung beginnt normaler Weise mit der Anamnese, welche aus den vier klassischen körperlichen Untersuchungen
- Inspektion
- Palpation
- Perkussion
- Auskultation
sowie einem ausführlichen Gespräch besteht.
Die Anamnese dient dazu, sich zu Beginn der Behandlung oder nach einer längeren Pause bzw. neu hinzugekommenen Umständen einen umfassenden Überblick zu verschaffen. Ob man sich als erstes für die mündliche Anamnese entscheidet, oder sich zunächst auf die eigenen Sinneseindrücke stützt, ist individuell unterschiedlich. Jeder Behandler sollte sich ein Untersuchungsschema erarbeiten, welches er bei der ersten Konsultation systematisch „abarbeitet“, um Wichtiges nicht zu vergessen und auch um sich nicht durch des Patienten Worte von wichtigen Details ablenken zu lassen.
Routine und Erfahrung werden im Laufe der Zeit die Eingangsanamnese immer kürzer werden lassen. Man sollte sich jedoch nie dazu verleiten lassen, Unerfahrenheit mit Fahrigkeit oder vorgetäuschter Routine zu überspielen. Jeder Patient achtet eine gründliche Anamnese als Wertschätzung seines urpersönlichen Anliegens, daher wird er kaum zur Eile drängen.
Der Patient (= der Geduldige) kommt in der Regel auf Grund seiner Leiden (= pathos, das Leid) zur Behandlung. Er entlastet sich „definitionsgemäß“ seiner Klagen, schildert sein Leiden und sehnt sich nach Heilung (Restitutio ad integrum).
Inspektion: Unwillkürlich achtet man auf das Geschlecht (geschlechtsabhängige Krankheiten), das ungefähre Alter (altersabhängige Krankheiten), die Herkunft (vermutete Lebensgewohnheiten), äußere Erscheinung (z. B. braungebrannte Haut: Urlaub oder Landwirt, Reisekrankheiten, Berufskrankheiten) und auf Schonhaltungen (Bewegungseinschränkungen, Verband, ...). Ebenso fallen Leidensmienen, Bewusstseinszustand etc. meist gleich ins Auge. Bei genauerer Betrachtung lassen der Zustand der Haut, Bewegungseinschränkungen, Deformationen der Gelenke etc. Rückschlüsse auf vorliegende Krankheiten zu. Im weiteren Sinne gehört die Wahrnehmung von Gerüchen (Magenleiden, Diabetes, Nierenleiden, Drogenkonsum) ebenfalls zur Inspektion.
Palpation (Tastuntersuchung):
Die erste Palpation ist der Händedruck bei der Begrüßung. Er gibt bereits Aufschluss über Kraft, Temperatur, Gewebebeschaffenheit und Entschlossenheit des Patienten. Anschließend sollte eine körperliche Untersuchung folgen, bei der die Tastsinne des Untersuchers eingesetzt werden. Hautzustand, Gewebebeschaffenheiten, Schwellungen, Wucherungen etc. lassen sich ebenso palpieren wie Organlagen im Bauchraum, der Zustand von Weichteilen (Muskeln, Fettgewebe, Mammae). Durch feines Betasten lassen sich Dehydration, Temperaturen (Entzündung, Fieber), Schwingungen der Lunge (Stimmfremitus) oder der Zustand von Blutgefäßen ermitteln. Das Zählen des Pulses gehört hier ebenso dazu wie die Pulsdiagnose in der chinesischen Medizin.
Perkussion:
Jeder Mensch hat schon einmal versucht, durch Beklopfen eines Gefäßes heraus zu finden, ob dieses gefüllt oder leer sein mag. Die Art der Schallentwicklung macht man sich zu Nutze, indem zum Beispiel Lungen, Verdauungsorgane oder die Lebergrenze durch Beklopfen ermittelt wird. Man möchte herausfinden, wo eine Organgrenze ist, ob ein Organ mit Luft oder festem Inhalt gefüllt ist etc. Als „Plessimeter“ verwendet man für gewöhnlich den Mittelfinger, als „Hammer“ den Zeige- und Mittelfinger der anderen Hand. Möglich sind auch Holzspatel und Untersuchungshämmerchen.
Auskultation:
Erst vor knapp 200 Jahren ersetzte man die direkte Behorchung mit dem Ohr durch ein Hörholz, welches später zum Hörrohr wurde. Moderne Stethoskope erlauben heute eine sehr präzise Auskultation von Geräuschen von Lungen, Herz, Darm, aber auch der Blutgefäße. Diese Methode braucht Übung, welche nur durch wiederholte Auskultation erlernt werden kann. Durch Rechts-links-Vergleiche (speziell an den Lungen) kann jedoch jeder rasch eine pathologische Abweichung erkennen.
Das Gespräch:
Jede Therapie kennt in der Regel auch ihre eigene Untersuchung, so dass die Anamnese von den obigen Beschreibungen stark abweichen kann. Weiterhin wird ein Homöopath sicherlich ein anderes Anamnesegespräch führen als ein Endokrinologe oder beispielsweise ein Zahnarzt.
Die mündliche Anamnese kann folgende Punkte umfassen (Auswahl):
- Akutes Beschwerdebild („Was führt Sie zu mir?“)
- Vorerkrankungen, die in Zusammenhang mit den jetzigen Beschwerden stehen könnten
- Familienanamnese (Wohn- und Lebensbedingungen, typische wiederkehrende Krankheiten in der Familie)
- Berufliche oder private Risikofaktoren
- Auslandsreisen (Infektionskrankheiten!)
Notizen während der Anamnese können dazu dienen, Zusammenhänge, die zunächst nicht offensichtlich erscheinen, zu erkennen, um diese dann später weiter zu hinterfragen.
Schulmedizin versus Naturheilkunde
Die heute sogenannte Schulmedizin (die an den Universitäten gelehrte Medizin) hat sich ursprünglich aus der Naturheilkunde heraus entwickelt, versucht aber mit Hilfe moderner Pharmakologie und hochmoderner Technik einen Weg zu gehen, der sich von dem der vergangenen Jahrhunderte vollständig unterscheidet. Im Mittelpunkt steht das Verstehen der Ursachen und deren Beseitigung, nachdem man die Ursachen erkannt hat.
Um krankmachende Ursachen möglichst präzise heraus zu finden, wird zunehmend organspezifisch, gewebsspezifisch und lokal im Körper gesucht. Die Suche geht bis in den mikroskopischen Bereich hinein. Dabei wird die Spezialisierung immer feiner und der Überblick über den Gesamtorganismus geht manchmal verloren.
Auch die Naturheilkunde hat in den letzten 20 Jahren einen starken Wandel vollzogen und ist mit Hilfe von Computern und Software teilweise zu einer hochmodernen, komplexen Medizin geworden. Andere Therapeuten arbeiten weiter mit alten, tradierten Verfahren und orientieren sich an Schriften und Erkenntnissen aus vergangenen Jahrhunderten mit der Begründung, dass sich der Mensch in dieser Zeit nicht gewandelt hat.
Patienten schätzen in der Regel den Besuch bei einem naturheilkundlichen Therapeuten, weil sie sich als Ganzes gesehen fühlen.
Es folgt eine willkürliche Auswahl technischer und naturheilkundlicher Untersuchungsverfahren, wie sie derzeit häufig angewendet werden.
Technische Untersuchungsverfahren
EKG = Elektrokardiogramm
Verfahren zur Registrierung der Aktionspotentiale des Herzens, die in der Regel von der Körperoberfläche abgeleitet und als Kurven aufgezeichnet werden. Die Schwankungen der Kurven entsprechen dabei den einzelnen Phasen des Herzzyklus.
EEG = Elektroenzephalographie
Mit dem EEG werden Potentialschwankungen des Gehirns auf der Kopfhaut mit Hilfe von Elektroden erfasst, verstärkt und aufgezeichnet.
Röntgen
1895 entdeckte Conrad Röntgen die für ihn unerklärlichen X-Strahlen, welche im englischen bis heute daher X-rays genannt werden. Die Röntgenstrahlen werden von dichterer Materie (Knochen) absorbiert, während andere Gewebe (Weichteile) diese mehr oder weniger hindurchlassen. Somit wird auf einem Film ein Röntgenbild erzeugt.
CT = Computertomographie
Computergestütztes Röntgenverfahren, bei dem aus zahlreichen Einzelaufnahmen Schnittbilder errechnet werden. Das CT erlaubt wesentlich feinere Aussagen bezüglich Veränderungen in den Weichteilen. Der Computer errechnet weiterhin aus den bekannten Gewebedichten künstlich kontrastierte Darstellungen der Gefäße, Knochen etc.
PET = Positronenemissionstomographie
Nuklearmedizinisches Verfahren, bei dem durch Positronenzerfall gleichzeitig Gammaquanten ausgesendet werden, die vom Detektorring des PET-Scanners, der mit einem leistungsfähigen Rechnersystem gekoppelt ist, registriert werden. Aus diesen Informationen werden Schnittbilder rekonstruiert.
PET-CT
Ein PET alleine ist relativ unscharf. Daher können PET und CT auch gemeinsam angefertigt werden, um mit Hilfe dieser beiden Verfahren schärfere Darstellungen zu errechnen.
MRT = Magnetresonanztomographie = Kernspintomographie
Hier werden keine Röntgenstrahlen eingesetzt, sondern starke Magnetfelder ausgesendet. Auf Grund der unterschiedlichen Feldstärken von Geweben auf Magnetfelder werden Schnittbilder errechnet.
Angiographie
Röntgenologische Darstellung von Gefäßen nach Kontrastmittelgabe
Szintigraphie
Radiopharmaka (z. B. Jod) reichern sich in bekannten Organen oder Geweben bevorzugt an und können fotografiert werden.
Thermographie
Die Wärmeabstrahlung eines Körpers kann mit speziellen Fotoapparaten aufgenommen werden. Besonders stark durchblutete Körperregionen werden dadurch farblich sichtbar gemacht.
Ultraschall
Schwingungen zwischen 20 kHz und 10 GHz werden zur Sichtbarmachung von Körperstrukturen in das Gewebe geschickt, um deren Reflexion zu messen. Bei zu hoher Dosierung kann es durch Wärmeentwicklung zu Gewebeschäden kommen.
Osteodensiometrie = Knochendichtemessung
Die Knochendichte wird in der Regel am Unterarm oder am Oberschenkel mit Ultraschall gemessen, um ein eventuelles Osteoporoserisiko abzuschätzen.
Labor
Ein großer Bestandteil klinischer und naturheilkundlicher Untersuchungen wird durch Laboruntersuchungen abgedeckt. Meist handelt es sich um Untersuchungen des Blutes, aber im weitesten Sinne gehört auch die ganze Histologie mit dazu.
Naturheilkundliche Untersuchungsverfahren und Therapien
Jede naturheilkundliche Therapie kennt in der Regel ihre eigenen Untersuchungsmethoden, welche jedoch die weiter oben beschriebene allgemeine Anamnese keineswegs ausschließt. Typisch für die Naturheilkunde ist, dass sie sich stets um den ganzen Menschen bemüht und ihn auch als Ganzes zu betrachten versucht. Weiterhin haben Naturheilkundler meistens den Anspruch, ohne Nebenwirkungen im pharmakologischen Sinne zu therapieren.
Es folgt eine willkürliche Auswahl von Beispielen aus dem sehr großen Gebiet der Naturheilkunde.
Einige Therapien sind im strengen Sinne reine Diagnostik, sofern aus ihnen keine eigenständige Therapie mündet:
- Antlitzdiagnostik
- Handlesen
- Irisdiagnose
- Zungendiagnostik
- Pulsdiagnostik
- Kinesiologie
- ...
Bei anderen Therapien fließen Diagnostik und Therapie direkt ineinander:
- Fußreflexzonentherapie
- Shiatsu
- Homöopathie (sofern sich das Gespräch zum Ermitteln der homöopathischen Mittel selbst zu einem therapeutischen Gespräch entwickelt)
- Phytotherapie (sofern das Gespräch zum Ermitteln der Teekräuter selbst schon zu einem therapeutischen Gespräch wird)
- Akupunktur
- Neuraltherapie
- ...
Weitere Therapien kennen keine eigenständige Eingangsdiagnostik oder sie wird ggf. übersprungen:
(Unter Vorbehalt wegen sehr unterschiedlicher Ausführung durch die jeweiligen Therapeuten)
- Hydro-Kolon-Therapie
- Ernährungsumstellung
- Yoga (* sofern therapeutisch betrieben)
- Feldenkrais (*)
- Fasten (*)
- Autogenes Training (*)
- Meditation (*)
- Kneipp’sche Anwendungen
- Bachblütentherapie
- Und viele, viele mehr ...
Einige naturheilkundlichen Therapieverfahren haben vollständig eigene Diagnosen entwickelt oder weiterentwickelt:
- Homöopathie
- Clark-Therapie
- Mayr-Therapie
- EAV = Elektroakupunktur nach Voll
- Bioresonanz
- Systemregulation mit Ondamed (Magnetfeldtherapie)
- Und viele, viele mehr ...
Ganz gleich, ob naturheilkundlich oder schulmedizinisch gearbeitet wird, sind bestimmte Aspekte der Hygiene von allen in medizinischen Berufen tätigen grundsätzlich zu beachten.
Hygienische Maßnahmen
Hygieia ist die griechische Göttin der Gesundheit. Sie verkörpert die Prävention von Krankheiten, noch bevor man etwas von Mikroorganismen wusste. Zahlreiche religiöse Vorschriften sind auch hygienische Vorschriften, beispielsweise Regeln zur Nahrungsaufnahme, Nahrungsmittelkombination, rituelle Reinigungen (Weihrauch) etc.
Heute hat Hygiene etwas mit dem Schutz des Einzelnen, aber immer mehr auch mit dem Schutz der Umwelt zu tun. Wir haben gelernt, dass wir Hygiene nicht auf Kosten der Umwelt erzwingen können, da im Übermaß gereinigte Nischen von pathologischen Mikroorganismen rasch bewuchert werden. Außerdem dürfen hygienische Maßnahmen nicht zu Lasten der Gesundheit des Ausführenden werden. So ist die Hygiene mehr und mehr zu einer Wissenschaft geworden.
Im weitesten Sinne fallen unter diesen Begriff
- Lebensmittelhygiene
- Sozialhygiene
- Arbeitshygiene
- Umwelthygiene
- Psychohygiene
Sozialhygiene und Arbeitshygiene:
Will man vorbeugende Maßnahmen zur Gesundherhaltung von einzelnen Menschen oder ganzen Gruppen erzielen, werden allgemeine oder spezielle Hygienemaßnahmen angewendet. Beispiele sind das Händewaschen vor dem Essen und nach Entleerungen, die Versorgung einer Wunde mit hygienischem Verband, Husten und Niesen mit der Hand vor dem Mund, allgemeine Reinlichkeit etc. Im Krankenhaus bestehen strengere hygienische Vorschriften als im häuslichen Bereich.
Zahllose Werbespots und Interessengruppen haben jedoch eine „Meister-Propper-Gesellschaft“ entstehen lassen, so dass heute bereits diskutiert wird, mit etwas weniger Hygiene zur Minderung von Allergiebereitschaften beizutragen. Da das Immunsystem an der Mikroflora unserer Umgebung geschult wird, bedeutet eine keimarme Umgebung weniger Lernmöglichkeiten für das immunologische Gedächtnis eines Menschen.
Desinfektion, Sterilisation
- Desinfektion: Keimarm machen. Mit Hilfe von Chemikalien, Heißluft, Strahlung, Oberflächenreinigung. Die Anzahl von Mikroorganismen wird an der Oberfläche, in Flüssigkeiten oder in der Luft stark minimiert. Bsp.:
- Pasteurisierung von Lebensmitteln
- Oberflächendesinfektion mit Alkohol 70%
- Wischdesinfektion mit Sakrotan
- Sprühdesinfektion
- Bestrahlung mit UV-C-Strahlen von Trinkwasser
- Sterilisation: Keimfrei machen: Abtöten aller Mikroorganismen mit Hilfe geeigneter Sterilisationsverfahren (Sterilisator).
Ein großes Problem sind heute Krankheitserreger in Krankenhäusern geworden. Der Begriff „nosokomiale Infektion“ bezeichnet einen Infekt, den der Patient während seines Klinikaufenthaltes zusätzlich zu seiner Grunderkrankung erworben hat. Immungeschwächte sind besonders gefährdet und sterben manchmal sogar an nosokomial erworbenen Erregern.
Hospitalisierte Keime lassen sich mit herkömmlichen Desinfektionsverfahren nicht mehr beseitigen oder besiedeln sterile Flächen bevorzugt. Streptokokken werden hier besonders häufig festgestellt.
Pionier der Krankenhaushygiene war Ignaz Semmelweis. Er führte ca. 1850 in Wien die Händedesinfektion mit Chlorkalk ein, woraufhin das Kindbettfieber dramatisch zurückging.
Nachhaltigkeit
Das Konzept der Nachhaltigkeit bedeutet, so zu handeln, dass auch nachkommende Generationen die gleichen Gestaltungsmöglichkeiten haben wie wir heute. Auf der UN-Konferenz in Rio wurde u. a. festgehalten, dass wir die Reserven dieser Erde nicht vollständig ausbeuten dürfen und Lebensbereiche nicht unwiederbringlich zerstören dürfen.