Hämatologie
Im Körper zirkulieren 5 Liter Blut, in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht, Körpergröße und Gewicht. Bei Erwachsenen reicht das Spektrum von 5 bis 7 Litern und entspricht 7% des Körpergewichts. Bei Schwangeren nimmt das Blutvolumen zu und beträgt kurz vor der Entbindung 9% des Körpergewichts.
Blut besteht zu weniger als 50% aus Zellen, à rot und weiß, und zu mehr als 50% aus Blutplasma, à gelb. Dieses Verhältnis benennt der Hämatokrit. Bei Männern beträgt der Wert 47%, bei Frauen 42%. Von den Blutzellen sind 99% rote Blutkörperchen (Erythrozyten), der Rest weiße Blutkörperchen (Leukozyten).
Bestandteile des Blutes
Blutplasma |
flüssige Bestandteile des Blutes,
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Serum |
Blutplasma ohne Gerinnungsfaktoren
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Blutzellen |
feste Bestandteile des Blutes
|
Das Blutplasma besteht zu 90% aus Wasser, zu 8% aus Bluteiweißen und zu 2% aus weiteren Stoffen. Darin sind enthalten:
- Bluteiweiße: Gerinnungseiweiße, Albumine, Immunglobuline
- Elektrolyte: Natrium, Kalium, Magnesium, Kalzium
- Nährstoffe: Glukose, Aminosäuren, Fettsäuren, Vitamine, Spurenelemente
- Metabolite: Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin
- Blutgase: Kohlendioxid, Stickstoff, Sauerstoff
- Hormone: Adrenalin, EPO und viele andere
Blut wird in der Regel als eigenständiges, flüssiges Organ klassifiziert, weshalb eine Bluttransfusion als Organspende angesehen werden darf.
Die Aufrechterhaltung des inneren dynamischen Gleichgewichts und damit der Homöostase ist eine wesentliche Aufgabe des Blutes.
Bildung der Blutzellen
Beinahe alle Blutzellen werden im roten Knochenmark in den pluripotenten Stammzellen gebildet.
Pluripotente Stammzellen besitzen die lebenslange Fähigkeit, sich in unterschiedliche Zellen zu differenzieren, so auch in die verschiedenen Arten von Blutzellen, Knochen- und Knorpelzellen. Sie bilden die Grundlage der Blutbildung (Hämatopoese).
Stammbaum der Blutzellen
Aus den Stammzellen reifen die rote Reihe und die weiße Reihe.
- Rote Reihe:
- Erythrozyten
- Weiße Reihe:
- Leukozyten
- Mastzellen
- Granulozyten
- Neutrophile Granulozyten
- Eosinophile Granulozyten
- Basophile Granulozyten
- Monozyten
- Makrophagen
- Mikrophagen
- Lymphozyten
- B- Lymphozyten
- T- Lymphozyten
- Thrombozyten
- Leukozyten
Erythrozyten (5 Millionen/ml)
Rote Blutzellen transportieren Sauerstoff von den Alveolen durch das Blut zu den Zielorganen. Ihre Lebensdauer beträgt 120 Tage. Nach dieser Zeit werden die Erythrozyten in der Milz abgebaut und gleichzeitig neue Zellen im Knochenmark gebildet. Diese Neubildung wird Erythropoese genannt.
Unter Sauerstoffmangel schütten die Nieren das Hormon Erythropoetin aus, welches die vermehrte Neubildung von Erythrozyten stimuliert. Hochleistungssportler nutzen das aus, indem sie Monate vor dem Wettkampf entweder in großen Höhen trainieren, oder in einem Zelt unter Sauerstoffmangel schlafen.
Die Einnahme des Hormons EPO gilt als Doping und ist verboten.
Leukozyten (4.000 bis 8.000/ml)
Die Lebensdauer der weißen Blutzellen (Leukozyten) ist sehr unterschiedlich und reicht von wenigen Stunden bis zu einem Menschenleben lang. Besonders langlebig sind die Gedächtniszellen, spezialisierte B- und T-Lymphozyten. Sie entstehen nach einer immunologischen Schulung und verweilen anschließend im Blut und Organen.
90% der Leukozyten halten sich außerhalb vom Blut auf und verwenden dieses nur als Transportsystem. Leukos besitzen aufgrund ihrer hohen Verformbarkeit die Fähigkeit, aus den Blutgefäßen zu emigrieren. Gewebssubstanzen veranlassen sie zu dieser zielgerichteten, amöboiden Fortbewegung. Diese Anlockung wird Chemotaxis genannt.
Granulozyten
Im Zellleib der Granulozyten befinden sich die namensgebenden granulären Strukturen. Ihre Lebensdauer beträgt nur wenige Stunden bis Tage, teilweise auch Wochen. Je nach Phase der immunologischen Abwehr treten unterschiedliche Granulozyten in den Vordergrund.
Typ |
Aufgabenbereich |
Neutrophile Granulozyten |
schnelle Erstabwehr bei akuten Infektionen
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Eosinophile Granulozyten |
an der Parasiten-Abwehr beteiligt, |
Basophile Granulozyten |
setzen Entzündungsmediatoren wie |
Lymphozyten
Lymphozyten sind hochspezialisierte weiße Blutzellen, die eine zentrale Rolle bei der spezifischen Immunabwehr spielen. Sie erkennen und bekämpfen gezielt Krankheitserreger sowie infizierte oder erkrankte Körperzellen.
Lymphozyten können sich nach Kontakt mit einem Erreger zu langlebigen Gedächtniszellen weiter entwickeln. Bei einem wiederholten Kontakt mit diesem Erreger erzeugen sie eine schnellere und effektivere Immunantwort als beim Erstkontakt.
Memory |
Blutzellen |
Immunologische Eigenschaft |
nicht lernfähige Blutzellen |
Leukozyten, Granulozyten, Monozyten, Mastzellen |
angeborene, unspezifische Immunität
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lernfähige Blutzellen |
B- und T Lymphozyten, |
erworbene, spezifische Immunität
|
Granulozyten und Monozyten gehören zur unspezifischen Abwehr, Lymphozyten zur spezifischen Abwehr.
Monozyten
Monozyten besitzen eine große Wandelbarkeit und werden, je nach Lokalisation, unterschiedlich benannt. Ihr wichtigster Aufgabenbereich ist Phagozytose, daher werden sie Fresszellen (Makrophagen) genannt. Sie beseitigen Fremdkörper und Zelltrümmer. Zusätzlich regen sie Lymphozyten durch Antigenpräsentation zur Immunantwort an.
Mastzellen
Mastzellen sind Teil des unspezifischen, angeborenen Immunsystems und kommen nicht im Blut, sondern in Geweben wie Haut, Schleimhäuten, Atemwegen und dem Verdauungstrakt vor, wo sie als Wächterzellen agieren.
Wächterzellen sind spezialisierte Zellen des Immunsystems, die an den Eintrittspforten des Körpers wie Haut und Schleimhäuten als erste auf Krankheitserreger treffen, diese erkennen und bei Bedarf die immunologische Abwehr in Gang setzen.
Thrombozyten (150.000 bis 400.000/ml)
Blutplättchen (Thrombozyten) sind keine Zellen, sondern Zellfragmente. Mit einer Verweildauer von 10 Tagen zirkulieren sie nur kurz im Blut und unterstützen die Gerinnung und Bildung von Thromben.
Blutgruppen
Erythrozyten sind Träger von Individualitätsmerkmalen, die als Blutgruppen bezeichnet werden. Derzeit sind 45 Blutgruppensysteme wissenschaftlich anerkannt und zwei bis drei in Verwendung, von denen das AB0-System (sprich: A – B – Null – System) das bekannteste ist.
Das AB0-System und seine Antikörper
Antigen |
Antikörper im Blutplasma |
Häufigkeit |
A |
Anti-B |
44% |
B |
Anti-A |
10% |
AB |
keine Antikörper |
4% |
0 |
Anti-A und Anti-B |
42% |
Kommt es bei einer Transfusion zur Zusammenfügung falscher Blutgruppen, führt dies zur Verklebung (Agglutination) der Antigene von Erythrozyten mit Antikörpern im Blutplasma. Anschließend platzen die roten Blutkörperchen und stehen für den Gastransport nicht mehr zur Verfügung.
Ein weiteres sehr bekanntes System sind die Rhesus-Blutgruppen. Von den 80 Kombinationsmöglichkeiten sind die Eigenschaften Rh+ und rh- die bekannteste Gruppe. Rh+ kommt in Mitteleuropa mit einer Häufigkeit von 85% vor, 15% entfallen auf rh-.
Mit Hilfe der Kreuzprobe wird sichergestellt, dass keine falsche Blutgruppe transfundiert wird.
Blutgerinnung
Kommt es zur Verletzung eines Blutgefäßes, wird die Gerinnungskaskade ausgelöst. Dabei werden Gerinnungsfaktoren aktiviert, die mit den römischen Ziffern I bis XIII gekennzeichnet wurden. Die Reihenfolge dieser Kennziffern ist historisch bedingt und entspricht nicht der physiologischen Abfolge.
- Faktor I = Fibrinogen
- Faktor II = Prothrombin
- Faktor IV = Kalzium
- Vitamin K, das für die Synthese von Faktor VII, IX und X benötigt wird
Hämophilie
Bei der vererbten Bluterkrankheit (Hämophilie) fehlt nur ein einziger Gerinnungsfaktor. Dies ist entweder Faktor VIII oder Faktor IX. Dadurch ist keine Blutgerinnung mehr möglich. Die Therapie besteht in lebenslanger Gabe des fehlenden Faktors.
Hämatopoese
Die Neubildung der Blutzellen wird Hämatopoese genannt. Sie findet in den Stammzellen des roten Knochenmarks statt.
Hämatokrit
Das Verhältnis zwischen dem ganzen Blutvolumen a zu den zellulären Bestandteilen b wird Hämatokrit genannt.
- Männer: 40 bis 52 Vol.-%
- Frauen: 37 bis 47% Vol.-%
Hämoglobin
Der Transport des Sauerstoffs im Blut geschieht mit Hilfe eines eisenhaltigen Proteins. Dieses besteht aus
4 Häm und 1 Protein = Häm plus Globin und wird Hämoglobin genannt.
- Männer: 14 bis 18 g/dl
- Frauen: 12 – 16 g/dl
[1] Diese Hämatokrit-Werte sind gemittelt. Die genauen Werte siehe Seite 5.
[2] In der Leber wird ebenfalls ein kleiner Teil der Blutzellen gebildet
[3] 25 Billionen Erythrozyten befinden sich im gesamten Körper. Sie tragen den größten Anteil zu den Blutzellen bei. Bei einer Lebensdauer von 120 Tagen bedeutet dies eine Erneuerungsrate von 160 Millionen Erys pro Minute oder 2,5 Millionen neue Erys pro Sekunde.
[4] Beispiele: Kupffer-Zellen in der Leber, Mikroglia im Gehirn, Alveolarmakrophagen in der Lunge, Osteoklasten im Knochen, Hyalozyten im Glaskörper des Auges.
[5] AB0-System, Rhesus-Faktor-System, gelegentlich auch das Kell-System
[6] Die Werte gelten für Mitteleuropa. Auf anderen Kontinenten ist die Verteilung abweichend.
[7] Rh+ sprich: R – H – Positiv und rh- sprich: R – H – Negativ