Nervensystem


Das Nervensystem wird wie folgt gegliedert:

1. Topographisch:

  • Zentrales Nervensystem = ZNS
  • Peripheres Nervensystem = PNS

Dabei unterscheiden sich die Nervenzellen bezüglich ihrer Lage (zentral / peripher), im Aufbau der Markscheiden (Glia-Zellen, Schwann-Zellen) etc.

 

2. Funktionell:

  • Vegetatives Nervensystem: Sympathikus und Parasympathikus
  • Motorische und somatische Nervenbahnen: Bewegung und Fühlen
  • Darmwandnerven = Enterisches Nervensystem = „Bauchhirn“

 

Dabei unterscheiden sie die Nervenzellen insbesondere

  • bezüglich ihrer Neurotransmitter (Adrenalin, Noradrenalin, Acetylcholin, sonstige)
  • und ihrer Lage im Rückenmark

 

Das Neuron:

Aufgabe:

Nervenzellen (Neuronen) sind hochdifferenzierte, zu Empfang, Verarbeitung und Weiterleitung nervöser Erregungen befähigte Zellen im ZNS, in Ganglien und in den Sinnesorganen. Aus den rund 100 Milliarden Neuronen es ZNS (Zentralen Nervensystems) plus denen der Peripherie bildet sich in der Gesamtheit das Nervensystem.

 

Aufbau:

Ein Neuron besteht aus je einem Soma und keinem bis vielen Dendriten. Der ableitende Neurit (= Axon = ableitende Nervenfaser) wird häufig von Markscheiden umhüllt.

  • Reizaufnahme: Dendriten (= Baum) sind stark verzweige Zellfortsätze und nehmen einen Reiz auf, den sie zum Soma hin leiten. Nervenzellen können null bis über 1000 Dendriten besitzen.
  • Zentrale: Das Soma (= Körper) besitzt alle Organellen sowie einen Zellkern mit DNA und erfüllt alle lebenswichtigen Aufgaben für den Bestand einer Nervenzelle.
  • Reizweiterleitung: Axon = Neurit: verzweigter oder unverzweigter Zellfortsatz, der eine Erregung vom Soma zur nächsten Zelle leitet. Jede Nervenzelle hat ein      Axon. Dieses kann von wenigen Millimetern kurz bis zu einem Meter lang sein.
  • Schutz: Neuroglia = Markscheiden (Glia = Leim) isolieren und ernähren die Nervenzellen und dienen der Beschleunigung der Reizweiterleitung. Im Gegensatz zu den meisten Nervenzellen, die nicht oder kaum vermehrungsfähig sind, bleibt Neuroglia lebenslang teilungsfähig. Die Neuroglia ist ein eigenständiges Gewebe und nicht Teil der Nervenzelle.
  • Übertragung: Synapsen (= Verbindungen) sind Umschaltstellen für die Erregung einer Nervenzelle auf einen weiteren Nerv oder ein so genanntes Erfolgsorgan. (Sonderfall Motorische Endplatten siehe unten.)

 

Neuroglia:

Axone können von mehr oder weniger dicken Markscheiden umhüllt sein. Je nachdem, wie viel Myelin in den Zellen eingebunden ist, spricht man von markreichen oder markarmen Neuroglia-Zellen. Die Aufgaben der Markscheiden, die auch als „Nervenkitt“ bezeichnet werden, sind:

  • Hüll- und Stützfunktionen für die einzelne Nervenfaser
  • Isolierungsfunktionen gegenüber anderen Nervenfasern
  • Immun- und Schutzfunktionen: Schutz vor Krankheitserregern, selektive Durchlässigkeit von Substanzen (à Blut-Hirn-Schranke, Blut-Liquor-Schranke)
  • Stoffwechselfunktionen: Ernährung der einzelnen Nervenfaser, des Gehirns und des Rückenmarks
  • Reizweiterleitung: Zur Beschleunigung des elektrischen Reizes springt dieser von einem Ranvier’schen Schnürrring zum nächsten. (Saltatorische Reizweiterleitung.)

 

 

Synapsen:

Die Verbindung zwischen zwei Nervenzellen oder einer Nervenzelle und einer Zielzelle (z. B. Muskelfaser) wird durch Synapsen hergestellt. Während der Reiz innerhalb der Nervenzelle auf elektrischem Wege durch Umkehrung des Membranpotentials weiter geleitet wird, ist die Übertragung zu einer anderen Zelle chemisch (Chemische Synapse).

 

Der am Ende des Axons eintreffende Reiz löst die Ausschüttung von Neurotransmittern aus, welche über den synaptischen Spalt zur nächsten Zelle gelangen und dort einen neuen Reiz, eine Muskelkontraktion oder eine andere Antwort auslösen.

 

·         Synapsen von Nerv zu Muskel werden Motorische Endplatten genannt.

 

·         In seltenen Fällen kommt es zu einer direkten elektrischen Übertragung: Herzmuskel, Retina, ZNS: Elektrische Synapsen

 

 

 

Faserbündelungen:

Meistens laufen Nervenfasern in Bündeln. Im ZNS werden diese als Stränge (Nervenstrang; Truncus) bezeichnet, im PNS als Nerven. 2 Beispiele:

  • Truncus sympathikus
  • Nervus ischiadicus

 

Zentrales Nervensystem (ZNS)

 

Das ZNS besteht aus

  • Gehirn und
  • Rückenmark.

Beide sind von Liquor umgeben, durch welchen die Nervenzellen des ZNS ernährt und geschützt werden.

 

 

Aufbau des Rückenmarks:

Das Rückenmark (Medulla spinalis) stellt einen 40 bis 45 cm langen, fingerdicken Strang dar, welcher beim Erwachsenen vom Hinterhauptsloch bis in die Höhe des 1. bis 2. Lendenwirbels reicht. Seitlich treten die Spinalnerven aus dem Wirbelkanal aus. Ein solches Austrittsstellen-Paar wird Segment[1] genannt.

 

Im Querschnitt zeigt sich, dass das Rückenmark innen aus einer schmetterlingsförmigen grauen Innenzone besteht und außen weiß ist. Die weiße Substanz besteht überwiegend aus Leitungsbahnen, während die graue Substanz überwiegend durch Soma gebildet wird.

 

Je nach Richtung des Nervenimpulses durch das Rückenmark wird ein Nerv wie folgt bezeichnet:

  • Motorischer Nerv = Der Impuls geht von oben nach unten. Beispiel: Der Befehl zur Muskelkontraktion wird vom Gehirn weg geleitet.
  • Sensorischer Nerv = Der Impuls geht von unten nach oben: Beispiel: Eine Reizung der Haut wird an das Gehirn weiter geleitet.

 

 

 

 

In Richtung Kopf mündet das Rückenmark via Medulla oblongata (= Verlängertes Mark) in den Hirnstamm, in Richtung Peripherie treten die Nerven als Spinalnerven aus bzw. ein. Ab dort werden sie „Peripheres Nervensystem“ = PNS genannt.

 

 

 

Das Gehirn:

Im Laufe der Evolution hat das Gehirn zahlreiche Umbauten vorgenommen. Daraus resultieren heute relativ unübersichtliche Formenverhältnisse. Das menschliche Gehirn hat ein Gewicht von 1.300 bis 1.400 Gramm. Das Gewicht steht nicht im Zusammenhang zu den kognitiven Leistungen, die ein Mensch vollbringen kann.

 

Die Verteilung von grauer und weißer Substanz ist im Gehirn genau umgekehrt wie im Rückenmark: Außen liegen die „grauen Zellen“ = Soma, innen das weiße Gewebe = Dendriten und Axone.

 

Ganz grob lässt sich zwischen dem evolutionär

  • sehr jungen Großhirn mit relativ wenig Bedeutung für das rein vegetative Überleben und
  • den tiefer liegenden entwicklungsgeschichtlich sehr alten Mittelhirn, Zwischenhirn und Stammhirn unterscheiden, deren Funktionen für das Leben und Überleben unabdingbar sind.
  • Das Kleinhirn nimmt eine Zwischenfunktion ein.

 

 

 

 

Ausgewählte Bereiche und ausgewählte Funktionen:

  • Der Hirnstamm, bestehend u.a. aus Mittelhirn, Brücke und Medulla oblongata, ist Ursprungsort der 12 Hirnnerven (siehe unten). Im Hirnstamm liegt die Pyramidenkreuzung, wo fast alle motorischen Nerven die Seite wechseln.
  • Der Balken (Corpus callosum) verbindet die rechte und linke Gehirnhälfte miteinander.
  • Das Kleinhirn (Cerebellum) glättet und koordiniert insbesondere Bewegungsabläufe.
  • Der Thalamus sortiert „unbedeutende“ Informationen, die aus der Peripherie in Richtung Großhirn strömen, heraus und lässt nur einen geringen Teil dieser gefilterten Information hindurch.
  • Der Hypothalamus bildet zusammen mit der Hypophyse die Schaltstelle zwischen Gehirn und hormonellem System.
  • Im Limbischen System werden archaische Reaktionsmuster bereit gehalten, um im Fall unmittelbarer Bedrohung sofort komplex reagieren zu können, ohne auf die analytische Langsamkeit des Großhirns Rücksicht zu nehmen.
  • Das Großhirn = Neokortex ist gleichzeitig die jüngste und am stärksten entwickelte Region des Menschen. Es ist von zahlreichen Sulci (Sulcus = Furche) und Gyri (Gyrus = Windung) durchzogen, welche eine erhebliche Oberflächenvergrößerung bewirken. Alle bewusst vollzogenen Bewegungen haben hier ihren Ursprung, alle Wahrnehmungen enden hier. Die beiden Hemisphären = Gehirnhälften lassen sich in 4 Hirnlappen einteilen:
    • Stirnlappen = Ort des Denkens
    • Scheitellappen = Ort des Verstehens
    • Schläfenlappen = Ort des Hörens
    • Hinterhauptslappen = Ort des Sehens (sehr stark vereinfacht).

 

 

 

Peripheres Nervensystem (PNS)

Alle Nerven außerhalb des ZNS werden periphere Nerven genannt.

 

Im Gegensatz zu der relativ starken Ordnung der Nervenfasern im Rückenmark sind periphere Nerven stets gemischte Nerven, in denen die folgenden Fasern gemeinsam vorkommen:

 

  • Afferente Nervenfasern = zum ZNS hinführende Nerven
  • Efferente Nervenfasern = vom ZNS wegführende Nerven, sowie

 

  • Vegetative Fasern = Nerven des Vegetativen Nervensystems
    • Sympathikus
    • Parasympathikus
  • Somatische Fasern = alle übrigen Nervenfasern, z. B.
    • Schmerzrezeptoren der Haut = somatisch afferent
    • Nerven zur Skelettmuskulatur = somatisch efferent

 

Streng genommen gehören auch die oben bereits beschriebenen Spinalnerven zum PNS, da sie schon außerhalb des Rückenmarks liegen.

 

Ganglien sind Verdickungen von Nervenfasern und beinhalten zahlreiche Nervenzellkörper.

 

 

 

Dermatome:

Den Segmenten sind bestimmte Hautbereiche zugeordnet. Weiterhin hat der englische Neurologe Head beobachtet, dass bestimmte Zonen auf der Haut reflektorisch mit inneren Organen verbunden sind. Diese Zonen werden daher Haed’sche Zonen genannt.

 

 

 

 

Hirnnerven:

Die 12 Hirnnerven liegen zwar im Schädel, auf Grund ihrer Lage sind auch sie topographisch bereits dem PNS zuzuordnen. Diese heißen:

 

Nr.

Nervus

I

Olfactorius

II

Opticus

III

Oculomotorius

IV

Trochlearis

V

Trigeminus

VI

Abducens

VII

Facialis

VIII

Vestibulocochlearis = Statoacusticus

IX

Glossopharyngeus

X

Vagus

XI

Accessorius

XII

Hypoglossus

 

 

 

Gefäß- und Liquorsystem:

Zwei große Arterien versorgen rechts und links das Gehirn: Die Arteria carotis und die Arteria vertebralis.

 

100 bis 160 ml Liquor (= Liquor cerebrospinalis) umspülen das gesamte ZNS bis hinunter zur Lendenwirbelsäule, wodurch dieses quasi vollständig „in Wasser schwimmt“.

 

Pro Tag werden ca. 650 ml  Liquor in den Plexus chorioidei der 4 Hirnventrikel produziert. Diese Menge muss über die Arachnoidalzotten auch wieder resorbiert werden. Der Druck des Liquors beträgt 60 bis 120 mm/H2O (= Wassersäule[2]). Der Stoffaustausch zwischen Blut und Liquor bzw. Gehirn ist außer für CO2, O2 und H2O mehr oder weniger stark behindert (= Blut-Hirn-Schranke bzw. Blut-Liquor-Schranke). Manche Stoffe wie z. B. Glucose und Aminosäuren werden über diese Schranken mit speziellen Mechanismen transportiert, andere Stoffe wie Proteine und viele Medikamente gelangen nicht hindurch (sogenannte Liquorgängigkeit).

 

 

 

Die Hirnhäute:

Der Raum, in dem der Liquor fließt, wird nach außen hin durch die harte Hirnhaut (Dura mater) und nach innen durch die weiche Hirnhaut (Pia mater) begrenzt. Dazwischen liegt eine dritte, schwammartige und vom Liquor durchströmte Hirnhaut (Arachnoidea mater = Spinngewebshaut).

 

 

 

Repräsentation von Funktionen auf der Großhirnrinde:

Seit der Erforschung des Gehirns wird immer wieder versucht, bestimmten Regionen spezifische Funktionen zuzuordnen. Dabei wurde meistens festgestellt, dass das Gehirn offenbar holografisch arbeitet. Dennoch gelingt es, mit elektrischen Reizen in einigen Bereichen sehr präzise Zuordnungen zu machen.

 

Ein Beispiel dafür ist der Sulcus praecentralis (motorisch) und der Sulcus postcentralis (sensorisch).

 

Zeichnet man die Repräsentationsbereiche nach, entsteht ein sogenannter Homunculus (= Rindenmännchen).

 

 

 

 

Vegetatives Nervensystem = VNS = Autonomes Nervensystem

Das VNS ist ein autonom arbeitendes Nervensystem, welches alle Körperfunktionen kontrolliert, stimuliert und unbewusst ablaufen lässt.

 

Herz und Kreislauf, Atmung, Verdauung, Stoffwechsel, Drüsenfunktionen und Wärmeregulation arbeiten vollständig autonom ab, ohne dass das Großhirn hier eingreifen muss oder kann.

 

Umgekehrt werden Bedürfnisse, die vom ZNS bedient werden sollen, ungeniert an das Großhirn gemeldet und verlangen umgehende Erfüllung bzw. geeignetes Verhalten (Hunger, Durst, Ausscheidungsdrang, Schwitzen, Frieren, Fortpflanzungsdrang, hormonelle Regulationen, Spannung oder Füllungsdruck von Organen etc.)

 

 

Sympathikus:

Die Nerven des Sympathikus verlaufen überwiegend durch das Rückenmark und durch den parallel liegenden Grenzstrang. Im Wesentlichen ist die Wirkung des Sympathikus aktivitätsanregend. Seine Neurotransmitter sind Acetylcholin und Adrenalin bzw. Noradrenalin.

 

Beispiele:

  • Aktivitätsdrang nach Stimulantien wie Kaffee, schwarzem Tee, Cola und bei Stress.

 

Der Begriff „Sympathikus“ leitet sich von „mitleiden“ ab, beschreibt aber auch seine anatomische Lage: der Grenzstrang liegt mit der Wirbelsäule eng zusammen.

 

 

Parasympathikus:

Die Nerven des Parasympathikus verlaufen überwiegend kreuz und quer durch den Organismus hindurch. Im Wesentlichen ist die Wirkung des Parasympathikus beruhigend und regenerierend. Der Neurotransmitter ist Acetylcholin.

 

Beispiele:

  • Ruhebedürfnis nach Nahrungsaufnahme. Vertiefung der Atmung im Schlaf.

 

Der Parasympathikus verläuft „umherschweifend“ durch Kopf und Rumpf hindurch. Sein wichtigster Nerv, der Vagus, wird mit dem Parasympathikus oftmals gleichgesetzt. (Daher der Sprachgebrauch „Vagotone Reaktonslage“)

 

 

Homöostase:

Sympathikus und Parasympathikus werden allgemein als Gegenspieler bezeichnet, da sie entgegengesetzte Aktionen steuern. Tatsächlich sind sie jedoch entscheidend an der Herstellung eines Gleichgewichts des inneren Milieus = der Homöostase beteiligt und bewirken optimale Organfunktionen in allen Lebenslagen.

 

 

Darmwandnervensystem:

Das enterische Nervensystem ist der dritte und weitgehend von allen übrigen Regulationen unabhängige Nervensystem. Der Auslöser für die Muskelarbeit der Darmmuskulatur entsteht durch die passive Dehnung des Darmrohres, und wird dort auch beantwortet. Auffällig ist die extrem hohe Zahl von Neuronen (ca. 100 Millionen) der Darmnervengeflechte.

 

Der Darm arbeitet im höchsten Maße autonom und wird durch Impulse des ZNS so gut wie nicht erreicht. Umgekehrt verläuft eine auffällig große Zahl an Nervenbahnen von den Darmwandnerven via Nervus vagus hoch zum Gehirn, so dass davon ausgegangen werden muss, dass der Einfluss der Verdauungsorgane auf das Verhalten und Denken des Menschen größer ist als allgemein bisher angenommen worden ist.

 

[1] Ein Rückenmarkssegment (neurales Segment) ist jene gedachte Scheibe Rückenmark, die durch die Höhe des austretenden Fächers ... für einen Spinalnerven gegeben ist. Die Rückenmarksegmente werden durch Buchstaben C1 bis C8, Th1 bis Th12, L1 bis L5, S1 bis S5 und Co1 gekennzeichnet. Es gibt also 8 Hals-, 12 Brust-, 5 Lenden-, 5 Sakralsegmente und 1 Coccygealsegment des Rückenmarks. Letzteres liegt in der Höhe des 2. Lendenwirbels.

Hingegen entsprechen die vertebralen Segmente den Wirbelkörpern. Da das Rückenmark nur bis zum 2. Lendenwirbel reicht, entsprechen die Rückenmarksegmente topisch nicht den vertebralen Segmenten. Die Lagedifferenz wird absteigend immer größer. So entspricht etwa dem 8. Brustwirbel das 10. thorakale Rückenmarksegment.

[2] Nicht verwechseln mit mm/Hg = Quecksilbersäule. Zum Vergleich: Der Blutdruck beträgt 120 zu 80 mm/Hg