Urogenital und Beckenboden
Harnapparat
Nieren und ableitende Harnwege (Harnapparat) spielen eine entscheidende Rolle für die Aufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts (Homöostase). Sie gewährleisten die Ausscheidung verschiedener Stoffwechselendprodukte und regulieren den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt.
Darüber hinaus regulieren die Nieren über verschiedene Hormone die Blutbildung, den Blutdruck und das Blutvolumen.
Regulation der Ausscheidung
- Harnsäure aus dem Zellstoffwechsel
- Harnstoff aus dem Eiweißstoffwechsel
- Kreatinin aus dem Muskelstoffwechsel
- Metabolite und Farbstoffe
- Reste von Arzneimitteln und Toxinen
- Abtransport dieser Stoffe über die harnableitenden Wege
Regulation des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts
- Aufrechterhaltung eines gleichmäßigen Wasserhaushalts durch Anpassung der Harnmenge an das Blutvolumen
- Elektrolyt-Kontrolle wie Natrium, Kalium, Kalzium und Chlorid
Regulation des pH-Werts
- Stabilisierung des Blut-pH durch Ausscheidung oder Rückresorption von sauren Protonen (H⁺) und basischen Bicarbonaten (HCO₃⁻)
Regulation von Hormonen
- Steuerung hormoneller Regelkreise zur Aufrechterhaltung von Blutvolumen und Blutdruck (ADH, Aldosteron, Renin[1])
- Produktion von Erythropoetin zur Stimulation der Erythropoese zur Neubildung von Erythrozyten im Knochenmark
- Umwandlung von Vitamin D in seine aktive Form (Calcitriol) zur Regulation des Kalziumhaushalts und damit der Knochenstabilität
Nieren - Ren
Die Nieren liegen beidseits der Wirbelsäule hinter der Bauchhöhle (retroperitoneal) in ihren Nierenlagern. Durch die Lage der Leber befindet sich die rechte Niere tiefer als die linke. Die Nieren sind durch ihre Blutgefäße, den Nierenarterien
(Arteriae renales) und Nierenvenen (Venae renales), in ihrer Position weitgehend fixiert. Diese Gefäße verbinden sie direkt mit der Aorta und der Vena cava inferior.
Jede Niere besteht aus 1,2 Millionen funktionellen Grundeinheiten (Nephrone[2]). Sie filtern das Blut, reabsorbieren und sezernieren Substanzen und bilden den Harn, der zum Nierenbecken (Pelvis renalis) geleitet wird.
Im Schnittbild einer Niere kann die dunklere äußere Nierenrinde (Cortex renalis) und das hellere, fächerförmig angeordnete Nierenmark (Medulla renalis) leicht erkannt werden.
Das Mark besteht aus 8 bis 12 charakteristischen Nierenpyramiden pro Niere. Die Spitze jeder Pyramide mündet in kleine Nierenkelche, deren Ausgänge in das Nierenbecken übergehen. Das Nierenbecken führt den Harn, welcher in den Nephronen gebildet wurde, in die beiden Harnleiter (Ureter).
Nebennieren
Auf den oberen Nierenpolen sitzen zwei Nebennieren (Glandula adrenalis) auf, welche als Hormondrüsen fungieren und beim Endokrinen System besprochen werden.
Arbeitsweise der Nieren
Die Nieren werden täglich von 1.600 l Blut durchströmt. Aus diesem Blutvolumen gewinnen sie zunächst rund 160 l Primärharn. Im Verlauf komplexer Filter- und Rückresorptionsprozesse wird dieser Primärharn stark konzentriert, so dass innerhalb von 24 Stunden 1,6 bis 2 l Endharn über die Harnwege ausgeschieden werden.
Aus dem Primärharn sorgen aktive und passive Transportmechanismen für die Rückresorption in den Blutkreislauf. Wasser, Vitamine, Elektrolyte und Glukose können so bei Mangel zurückgewonnen oder bei Überschuss ausgeschieden werden. Dieser Vorgang verhindert den Verlust lebenswichtiger Substanzen und reguliert deren Ausscheidungsraten. Die harnpflichtigen Stoffe
Harnstoff, Harnsäure und Kreatinin werden abgeführt.
Nephron
Das Nephron ist die kleinste Funktionseinheit der Niere und besteht aus:
- dem Nierenkörperchen (Bowman-Kapsel) und dem
- daran angeschlossenen Kanälchen-System (Tubulus).
Im Nierenkörperchen (Bowman-Kapsel) wird das Blut gefiltert und es entsteht dabei der Primärharn.
Anschließend werden im Tubulus Wasser und zahlreiche Substanzen ins Blut wieder zurückgeführt. Ausscheidungspflichtige Substanzen verbleiben im Endharn und werden über die Harnleiter, Blase und Harnröhre ausgeschieden.
Juxtaglomerulärer Apparat
Der Juxtaglomeruläre Apparat und die Macula densa überwachen kontinuierlich Blutdruck und Blutvolumen im Körper. Sie justieren, ob durch Durstgefühl die Aufnahme von Wasser und Salz angeregt oder ob durch verstärktes Wasserlassen (Diurese) das Blutvolumen reduziert wird.
Bei Flüssigkeitsmangel schüttet der Juxtaglomeruläre Apparat das Hormon Renin aus, welches ein Durstgefühl erzeugt und die Bildung weiterer Hormone wie Aldosteron in den Nebennieren stimuliert. Aldosteron sorgt dafür, dass Natrium zurückgehalten und der Salz- und Wasserhaushalt durch Flüssigkeits- und Salzaufnahme ausgeglichen wird.
Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) reguliert auf hormonellem Wege den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt und den Blutdruck.
Das Hormon Renin setzt nach seiner Freisetzung aus dem Juxtaglomerulären Apparat eine hormonelle Kaskade in Gang[3], die
- eine Gefäßverengung (Vasokonstriktion) bewirkt
- und damit den Blutdruck anhebt.
- Im Anschluss erhöht das Hormon Aldosteron die Rückresorption von Natrium und Wasser in den Nieren,
- wodurch das Blutvolumen und der Blutdruck zusätzlich ansteigen.
Regulation des Harns
Wassermangel und Flüssigkeitsüberschuss werden von den Nieren ausgeglichen, indem sie die Zusammensetzung des Harns anpassen. Bei Flüssigkeitsmangel konzentrieren die Nieren den Urin, sodass er dunkler erscheint, während er bei Flüssigkeitsüberschuss verdünnt und heller wird.
Durch diese Regulation tragen die Nieren wesentlich zur Aufrechterhaltung von Blutdruck, Elektrolyt- und Wasserhaushalt bei.
Zusammensetzung des Endharns
- 95% Wasser
- Harnstoff aus dem Eiweißstoffwechsel
- Harnsäure aus dem Zellstoffwechsel
- Kreatinin aus dem Muskelstoffwechsel
- Gallenfarbstoffe aus dem Abbau des Hämoglobins; sie erzeugen die gelbe Farbe des Urins
- Saure und basische Valenzen[4]
- Natrium, Kalium und andere Mineralien
- Medikamentenreste, insbesondere Hormone wie die Pille
- Pathologisch: Eiweiße, Glukose, Blutzellen, Erreger
Ableitende Harnwege und Blase
Der Harn gelangt aus den Nierenbecken über die beiden 25 cm langen Harnleiter (Ureter) in die Harnblase (Vesica urinaria). Der Transport erfolgt durch peristaltische Kontraktionswellen der kräftig ausgeprägten Harnleitermuskulatur, deren Innenseite von einer Schleimhaut ausgekleidet ist.
Blase
Die Harnblase liegt unter dem Bauchfell, hinter der Schambeinfuge (Symphyse) und ruht auf dem Beckenboden. Ihre Größe verändert sich je nach Füllungszustand erheblich und kann bei maximaler Füllung deutlich über das Schambein hinausragen. Ab einem Blasenvolumen von 350 ml tritt Harndrang auf; ein Fassungsvermögen von 700 ml wird als maximal tolerabel wahrgenommen. Theoretisch kann die Blase jedoch bis zu 2.000 ml aufnehmen.
Die Muskulatur der Blase erlaubt eine rasche und kräftige Anpassung an Volumenveränderungen, wobei der Blasendruck bei Entleerung nicht nachlässt. Auch hier, wie in den Harnleitern und der Harnröhre, schützt ein spezielles Epithel die Blasenmuskulatur vor saurem Urin.[5]
Wie das Rektum verfügt auch die Blase an ihrem Ausgang über zwei Schließmuskeln, von denen der innere unwillkürlich ist und vom vegetativen Nervensystem gesteuert wird. Der äußere Schließmuskel kann willkürlich angespannt werden.
Regulation der Blasenentleerung
- Unter dem Einfluss des Sympathikus erschlafft die Blasenmuskulatur und der innere Schließmuskel kontrahiert.
- Der Parasympathikus bewirkt eine Anspannung der Blasenmuskulatur (Detrusor) und der M. sphincter urethrae internus erschlafft, was zur Entleerung der Blase führt.
Über die Harnröhre (Urethra) fließt der Harn aus der Harnblase ab. Sie unterscheidet sich bei Mann und Frau.
Mann |
Frau |
Länge der Harnröhre: 25 cm |
Länge der Harnröhre: 4 cm |
2 Samenleiter und viele Kanälchen für |
|
Die Urethra führt durch die Vorsteherdrüse (Prostata) und den Penisschwellkörper |
Die Urethra mündet im Scheidenvorhof (Vestibulum) nahe der Klitoris |
Geschlechtsorgane
Die weibliche Eizelle trägt als Erbgut stets ein X-Chromosom in sich, die männliche Samenzelle mit einer halbe-halbe Wahrscheinlichkeit ein X- oder Y-Chromosom. Damit wird im Moment der Verschmelzung von Samen- und Eizelle das genetische Geschlecht aufgrund der Chromosomenverteilung festgelegt. Ist das Resultat XX, wird es ein Mädchen, bei XY ein Junge.
Die Geschlechtsorgane erreichen ihren endgültigen Platz teilweise erst kurz vor und sogar nach der Geburt: So wandern die Hoden beziehungsweise die Ovarien beim Fötus aus dem Bauchraum nach unten; die Hoden (Testes) in den Hodensack (Skrotum), die Eierstöcke (Ovarien) ins Becken.
Aus zwei Merkmalen bildet sich die geschlechtliche Entwicklung heraus. Diese sind zunächst die Gen-Verteilung und anschließend die Hormonkonzentration.
Primäre Geschlechtsorgane |
Sekundäre Geschlechtsmerkmale |
Alle Organe, die unmittelbar der Fortpflanzung dienen, werden durch die Chromosomen-Verteilung festgelegt. |
Sie entwickeln sich ab der Pubertät geschlechtsspezifisch und werden hormonell gesteuert. |